Ein Beitrag, erschienen bei apolut.net von Walter van Rossum
Die freien Medien machen sich um einen zumindest minimalen Meinungspluralismus verdient, indem sie mühsam rekonstruieren, was die Etablierten zu vertuschen versuchen. Exklusivauszug aus „The Great WeSet“.
Für Sven Böttcher heißen die beiden großen Antagonisten auf dem Globus „Bill“ (Gates) und „Wir“ — gemeint sind alle Menschen guten Willens, die an Wahrheit und Freiheit interessiert sind. Der ehemalige WDR-Journalist Walter van Rossum benannte für seine mittlerweile legendäre Talkrunde den „Great Reset“ kurzerhand in „WeSet“ um und positionierte sich so als Gegenspieler Klaus Schwabs. Nun ist das Buch zur Show erschienen, und das hat es in sich. Van Rossum widmet sich im ersten Teil seiner neuen Veröffentlichung der Gefahr, in der wir aufgrund der Unterwanderung der Medien und der Justiz durch eine freiheitsfeindliche, grundrechtsferne Regierungsagenda schweben; im zweiten Teil porträtiert er dann das „Rettende“, jene kleine, aber feine und weiter wachsende Gegenöffentlichkeit und die damit verbundene oppositionelle „Szene“, die sich in den letzten Jahren nicht ohne Erfolg angeschickt hat, dem Konzerngoliath den scheinbar sicheren Sieg zu entreißen. Im ersten von drei Buchauszügen outet sich van Rossum als einer derjenigen, vor denen uns Christian Drosten, Nancy Faeser und die Tagesschau immer gewarnt haben. „Ich bin ein Verschwörungstheoretiker, und das ist gut so.“
Schon sehr früh hatten die Pandemiker das Dogma ihrer Unfehlbarkeit verkündet — und an ihren Feinden vollstreckt. Doch ihre Wahrheit war ja nicht das Ergebnis jener komplexen Prozesse, die die Moderne entwickelt hatte, um ihr Wissen hervorzubringen, sondern es war eine gesetzte Wahrheit — in einem Wort: das Gute. Und das Gute beweist seine Güte allein dadurch, dass es dem Bösen nicht nur widersagt, sondern es auch tätig bekämpft.
Die Gläubigen müssen spüren, dass das Böse mitten unter ihnen ist, ganz nahe. Und es ist gut getarnt, deshalb müsste man es eigentlich demaskieren, aber das ist schwer möglich: Es trägt keine Maske. Doch der Steckbrief des Bösen ist lang. Die Mächte der Finsternis murmeln zotige Litaneien, die der Gute kaum versteht: Fair is foul and foul is fair. Schein ist nicht Sein. Da sie nicht an das Gute glauben, sehen sie verdeckte Kräfte am Werk. Die Agenturen des Guten haben schon vor geraumer Zeit eine großartige Bezeichnung für dieses Natterngezücht gefunden: Verschwörungstheoretiker.
Natürlich zersetzen sie auch die pandemischen Gewissheiten, und insofern ist gut nachvollziehbar, dass der mediale Mainstream einen erheblichen Teil seiner Arbeit solchen Gesellen widmet. Kein Blatt, kein Sender, die nicht unaufhörlich vor diesen Zombies gewarnt hätten. Es wurden etliche Gebrauchsanleitungen für den Umgang mit Verschwörungstheoretikern angefertigt. Auf den Kinderseiten erschienen Warnhinweise vor solchen Finsterlingen. Bücher über Verschwörungstheoretiker wurden zu Bestsellern. Und der Tübinger Amerikanist Michael Butter leitet mittlerweile ein EU-Forschungsprojekt zur Analyse von Verschwörungstheorien.
Der Cheftheoretiker in Sachen Verschwörungstheorien hat seine Kompetenz in einem Buch mit dem Titel „Nichts ist wie es scheint“. Über Verschwörungstheorien dokumentiert. Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring hat die intellektuelle Reichweite des Tübinger Professors treffend beschrieben:
„Zusammenfassend lautet die hilfreiche Handreichung Butters für Journalisten, Wissenschaftler und Publizisten: 1. Was geschieht, geschieht ohne Plan, 2. Alles ist, wie es scheint und offiziell dargestellt wird, egal wie unplausibel und wie hart widerlegbar es ist, 3. Das hat nichts mit irgendetwas anderem zu tun.“
Der mediale Kampf gegen Verschwörungstheoretiker dürfte fast so viel Energie verschlungen haben wie die Verbreitung der Heilsbotschaft vom Impfen.
Was ist eine Verschwörung? Wenn mindestens zwei sich verbünden, um einem Dritten zu schaden. Was sind Verschwörungstheorien? Überlegungen, Hypothesen oder Nachforschungen, wer die mindestens zwei sind und warum sie was machen.
Investigativer Journalismus hat unvermeidlich mit Verschwörungen zu tun und produziert also Verschwörungstheorien. Machenschaften der Energiekonzerne, subversive Seilschaften in den Parteien, islamistische Konspirationen, mafiose Intrigen von Siemens, betrieblich organisierte Bordellbesuche bei VW, systematischer Umsatzsteuerbetrug. Die Aufdeckung oder auch nur Entdeckung solcher Fälle beruht auf Verschwörungstheorien. Nur nennt die Medienbranche das nicht so. Verschwörungstheorien in ihrem Verständnis sind abwegige Theorien, die nicht mitspielen dürfen. Und man tut gerne so, als handle es sich dabei um eine definierte Textsorte, der man auf Anhieb die krankhaften oder absurden Inhalte ablesen könnte.
Im Moment gibt es ein Dutzend Bücher auf dem Markt, die sogenannten Verschwörungstheorien den Garaus machen wollen, doch keines von ihnen kann auch nur ansatzweise valide Kennzeichen für abwegige Verschwörungstheorien nennen. Es gibt gute und es gibt schlechte Verschwörungstheorien. Das ist alles. In der Regel ist es heute so: Wenn von Verschwörungstheorien die Rede ist, errichtet man eine Demarkationslinie zwischen Drinnen und Draußen. Wer darf mitreden und wer nicht? Was gilt noch als zumutbare Überlegung und was nicht? Doch die Demarkationslinie basiert nicht auf Argumenten, sondern funktioniert über pathologische Zuschreibungen.
Sage und schreibe zehn Autoren hat der Spiegel in seinem Magazin vom 8. Mai 2020 darauf angesetzt, eine solche komplett argumentationsfreie Trennwand zu errichten. Die Zitadelle des Mainstreams ballert auf alles, was dem pandämonischen Totalitarismus unserer Tage entgegensteht. Das fabelhafte Rechercheteam hat drei Zentralorgane gefährlichen Wahns ausgemacht:
„Neben dem Querfront-Magazin Rubikon sind das die zwei deutschsprachigen Ableger eines staatlichen russischen Medienunternehmens, RT Deutsch und Sputnik.“
Die Autoren hätten vielleicht erwähnen sollen, dass Rubikon ein Internet-Magazin ist und bei dieser Gelegenheit womöglich erläutert, warum es ein Querfront-Magazin sei. Mit Querfront bezeichnet man den strategischen Zusammenschluss von diametral entgegengesetzten Extremisten — beispielsweise von Faschisten und Kommunisten.
Selbstverständlich erfolgt die Einschätzung als Querfront-Magazin seitens des Spiegels ohne jeden Beleg. Es gäbe auch keinen, wie der Spiegel gewiss weiß. Man zitiert einfach ein paar Pegida-Typen, die auch ihre Probleme mit der Corona-Politik haben, fertig ist die Querfront. Infamie oder Hilflosigkeit? Beides. Nun wüsste man natürlich ganz gerne, was das Querfront-Magazin Rubikon denn auf dem Kerbholz hat.
„Das Magazin Rubikon ist eine Art Hausmedium der Protestler. ‚Hygienedemo‘-Mitgründer Lenz verbreitet hier von Anfang an seine Thesen. Rubikon wurde 2017 gegründet und veröffentlicht immer wieder verschwörungsideologische Beiträge. Im Beirat sitzen auch Journalisten, die für Weltnetz.tv und RT Deutsch arbeiten. Rubikon sucht außerdem Kontakt zu Fake-News-Verbreitern wie Ken Jebsen, der mit seinem YouTube-Kanal KenFM momentan massiv von der Corona-Krise profitiert.“
Nicht zu vergessen, irgendwie noch mit dabei der „prorussische Journalist Ulrich Gellermann“. So sehen grausam schlechte Verschwörungstheorien aus: kein Argument, allein der Glaube an ein riesiges Verschwörungskartell und die hastige Montage grotesker Zusammenhänge. Doch was eint dieses Kartell der Irren? Auf ganzen vier Seiten des Mainstream-Magazins findet man keinen einzigen Satz über Absichten oder Thesen dieser Finsterlinge. Das sagt alles: zehn Autoren und kein Thema.
Wenn ich den Kollegen aushelfen darf: Die „Verschwörungstheoretiker“ arbeiten an der Wiederherstellung eines wenigstens minimalen Pluralismus. Und die besteht in diesem Fall aus einer überaus mühsamen Sammlung und Sichtung von Informationen und Überlegungen, die der Proklamation der coronaren Apokalypse widersprechen. Darüber ließe sich reden — über Argumente also. Doch genau das verweigern die rüden Fürsten des Mainstreams von Anfang an. Man lässt sich nicht die schöne Katastrophe verwässern. Und heute könnten Diskussionen glatt den Endsieg verhindern.
Wer einen Beitrag zu einem Thema aus den Redaktionen der Zitadelle liest, hat alle gelesen. Fast wörtlich schreibt die Süddeutsche, was wir schon im Spiegel lesen mussten und was zuvor oder danach von der Bild-Zeitung noch massentauglicher verbreitet wird, um schließlich von der Tagesschau hübsch bebildert zu werden. Diese Sorte Journalismus funktioniert nur im Rudel und dadurch, dass er jede abweichende Meinung kriminalisiert oder pathologisiert. Das ist nicht neu, aber es hat inzwischen hysterische Züge angenommen. Irgendwie scheinen die Herrschaften zu ahnen, dass die Nummer Corona bald zu Ende geht. Die Mainstream-Medien haben die Pandemie geradezu herbeigeschrieben. Das hat ihnen teilweise verblüffenden Zustrom beschert. Doch allmählich verlieren sie die Kontrolle.
Auf den Seiten von Rubikon finden sich Hunderte Beiträge von bedeutenden Wissenschaftlern weltweit oder über sie, die die ganze coronare Aufregung für einen absurd kostspieligen Fehler halten und ausgezeichnete wissenschaftliche Argumente ins Feld führen können. All diese Nobelpreisträger, Stanford-Professoren und weltberühmten Experten mussten in den medialen Untergrund (oder was Spiegel & Co dafür halten) gehen, um noch gehört zu werden. Was glaubt die Zitadelle denn, warum ein Mann wie Professor Detlev Krüger, 27 Jahre lang Chef der Virologie an der Charité und Vorgänger von Christian Drosten, ausgerechnet Sputnik ein Interview gegeben hat, um seine Zweifel an der Handhabung der Pandemie auszudrücken? Russisch gesteuerte Virologie? Vielleicht irrt er. Mag sein. Es gab keine Diskussionen. Dafür haben die medialen Apokalyptiker mit brachialen Mitteln gesorgt. Doch die Diskussionen werden kommen, dafür werden wir sorgen.
Quellen und Anmerkungen
(1) Das für seine fabelhaften Dokumentationen bekannte Magazin Spiegel hat dankenswerterweise eine Liste all seiner Beiträge zum Thema erstellt, darin sind über 500 Titel angezeigt. Ein Wunderwerk medialen Recyclens; https://www.spiegel.de/thema/verschwoerungstheorien/
(2) Die Bundesregierung hat ein Grundlagenwerk veröffentlicht: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/umgang-mit-desinformation/umgang-verschwoerungstheorien-1790886
(3) https://conspiracytheories.eu/projects/pact-populism-and-conspiarcy-theory/
(4) Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. Noch bevor Corona die geläufige Verständigung durchdrang, attestierten Fachkollegen dem Autor eine bescheidene Denkungsart:* „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Werk mit heißer Nadel gestrickt wurde und dem Autor nicht genügend Zeit blieb, um auf elementare Begriffsarbeit, Tiefenschärfe und logische Stringenz zu achten. Lesenswert ist es aber allein schon deshalb, weil es aktuell eine zentrale Referenz in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskussion über Verschwörungstheorien bildet und vermutlich auch künftig bilden wird.“* Andreas Anton, Alan Schink, „Rezension zu Michael Butter (2018). ‚Nichts ist, wie es scheint.‘ Über Verschwörungstheorien“. In: Zeitschrift für Anomalistik, Bd. 19, 2019, S. 471 – 486
(5) Norbert Häring, „Tolles neues Buch! ‚Nichts ist, wie es scheint‘ — Wie man nicht zum Verschwörungstheoretiker wird“, 17. März 2018, https://norberthaering.de/news/butter-verschwoerungstheorie/
(6) „Sturm der Lüge“, Spiegel, 20/2020
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