Stanford-Professor John Ioannidis hat in einer Metastudie erneut die Sterblichkeit von Covid-19 untersucht – mit einem erstaunlichen Ergebnis. Ist die durch das Coronavirus verursachte Krankheit weit weniger tödlich als bisher angenommen?
- Weltweit sterben Menschen an der als neuartigen propagierten Lungenkrankheit Covid-19. Soviel ist klar.
- Der Stanford-Professor John Ioannidis hat in einer aktuellen Metastudie erneut die Sterblichkeit untersucht.
- Das Ergebnis ist erstaunlich.
Stanford – Es klingt nach einer guten Nachricht, und die steckt wohl auch im Ergebnis einer neuen Covid-19*-Metastudie: Die Krankheit scheint in weniger Fällen tödlich zu verlaufen als früher angenommen. Doch die Botschaft des Autors war auch klar: Für die Entscheidungen der Politik können seine Erkenntnisse zwar hilfreich sein, man müsse sie aber differenziert betrachten.
Coronavirus-Studie: Stanford-Professor wertet 61 Studien weltweit aus
Urheber der Studie ist John Ioannidis, einer der derzeit meistzitierten Autoren in der Wissenschaftswelt. Der Professor für Medizin und Epidemiologie an der Universität Stanford hat 61 Studien aus der ganzen Welt ausgewertet, die aus Antikörpertest-Stichproben die tatsächliche Infiziertenrate in der jeweiligen Bevölkerung errechneten.
Die Ergebnisse hat Ioannidis statistischen Korrekturen unterzogen und ins Verhältnis gesetzt zu den offiziellen Covid-19-Todesfällen in den Untersuchungsgebieten.
Globale Perspektive der COVID-19-Epidemiologie für eine Pandemie des vollen Zyklus by John P. A. Ioannidis
Abstract (aus dem englischen): Im Oktober 2020 gibt es >1 Million dokumentierte Todesfälle mit COVID-19. Überzählige Todesfälle können sowohl durch COVID-19 als auch durch die ergriffenen Maßnahmen verursacht werden. COVID-19 zeigt eine extrem starke Risikostratifizierung in Bezug auf Alter, sozioökonomische Faktoren und klinische Faktoren. Die Berechnung der verlorenen Lebensjahre aus COVID-19 ist methodisch anspruchsvoll und kann zu irreführenden Überschätzungen führen. Viele frühe Todesfälle könnten auf suboptimales Management, schlecht funktionierende Gesundheitssysteme, Hydroxychloroquin, die Einweisung von COVID-19-Patienten in Pflegeheime und nosokomiale Infektionen zurückzuführen sein; solche Todesfälle sind in Zukunft teilweise vermeidbar. Bis Oktober 2020 könnten etwa 10% der Weltbevölkerung infiziert sein. Die globale Sterblichkeitsrate bei Infektionen liegt bei 0,15-0,20% (0,03-0,04% in den <70-Jährigen), mit einer großen Variabilität zwischen Orten mit unterschiedlicher Altersstruktur, Institutionalisierungsraten, sozioökonomischen Ungleichheiten, klinischem Risikoprofil auf Bevölkerungsebene, öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen und Gesundheitsversorgung. Es wird diskutiert, ob mindestens 60% der Weltbevölkerung infiziert sein müssen, um eine Herdenimmunität zu erreichen, oder ob umgekehrt die Vermischung von Heterogenität und bereits bestehender Kreuzimmunität wesentlich niedrigere Schwellenwerte erlauben könnte. Es werden Simulationen mit insgesamt 1,58-8,76 Millionen COVID-19-Todesfällen über 5 Jahre (1/2020-12/2024) weltweit (0,5-2,9% der gesamten weltweiten Todesfälle) vorgestellt. Die günstigsten Zahlen in diesem Bereich wären machbar, wenn Hochrisikogruppen mit niedrigeren Infektionsraten als die übrige Bevölkerung bevorzugt geschützt werden könnten. Die Sterblichkeitsrate kann auch durch die potenzielle Verfügbarkeit wirksamer Impfstoffe und Therapien, ein optimales Management und die ergriffenen Maßnahmen, das Zusammenspiel von COVID-19 mit Grippe und anderen Gesundheitsproblemen, das Reinfektionspotenzial und alle chronischen Folgen von COVID-19 weiter beeinflusst werden. Ein gezieltes, präzises Management der Pandemie und die Vermeidung von Fehlern in der Vergangenheit würden dazu beitragen, die Mortalität zu minimieren.
Die Originalstudie
Ioannidis-Studie